Tobias Gohlis über Deon Meyer: Weißer Schatten

 


Auf der Suche nach dem Bruder

Natur oder Mensch?

Spannung aus realen Konflikten

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Deon Meyer:
Weßer Schatten

Aus dem dem Englischen von Ulrich Hoffmann

 

 

 

Bürde der Gewalt

In Deon Meyers Thriller Weißer Schatten nehmen Südafrikas Konflikte um Land und Macht Gestalt an

Deon Meyers Helden, ob schwarz wie Thobela „Tiny“ Mpayipheli oder weiß wie Lemmer, der Bodyguard, und Bennie Griessel, der trunksüchtige Cop, gleichen ihrem Land. „Menschen, geprägt durch Gewalt, die sie weitertrugen wie einen Gospel“. Und zu Tode erschöpft von der Anstrengung, das in ihnen tobende Chaos zu unterdrücken. In Weißer Schatten lässt Deon Meyer, in Afrikaans schreibender Weltautor, sich tiefer und intensiver auf die Konflikte des neuen Südafrika ein als zuvor..

Auf der Suche nach dem Bruder
Emma le Roux, reich, weiß und verwöhnt, hat ein Signal aus der Vergangenheit erhalten. Sie glaubt im Fahndungsbild eines Mannes, der vier Schwarze im Lowveld am Rande des Kruger Nationalparks erschossen hat, ihren verschollenen Bruder zu erkennen. 2000 km entfernt vom europäisch gleißenden Kapstadt. Ein mysteriöser Anruf scheint ihre Vermutung zu bestätigen, ein brutaler Überfall, dem sie mit Not entkommt, zeugt von elementarer Gefahr. Trotzdem mach sie sich auf, im Eden europäischer Safarireisender den Bruder zu suchen. Der Marketingexpertin und ihrem Bodyguard begegnen weder Löwe noch Elefant. In den Augen der schwarzen Stämme sind das die„Spielzeuge des weißen Mannes“. Sie wollen das Land zurück, von dem sie vor etlichen hundert Jahren vertrieben wurden, um burischen Rindern und afrikanischen Wildtieren Platz zu schaffen. Dagegen verschanzen sich weiße Tierschützer mit Wachleuten und Stacheldraht in Naturreservaten. Und schießen auf die Zauberdoktoren, die seltene Geier mit vergifteten Kadavern umbringen.

Natur oder Mensch?
Jacobus, der vielleicht Emmas Bruder ist, hat vier solche Geiermörder getötet. Im Laufe der langen gefahrvollen Suche nach ihm wird klar, dass er Teil eines verschwörerischen Netzwerks war, das radikal mit allen Menschen aufräumt, die Mutter Naturs Gleichgewicht stören. „Die einzige Möglichkeit, heutzutage eine vernünftige ökologische Balance zu erhalten, besteht darin, die Menschen zu verbannen — vollständig,“ räsoniert Millionär Stef Moller in seinem Privatreservat – keineswegs die Meinung eines isolierten Spinners.

Spannung aus realen Konflikten
Deon Meyer hat Südafrika auf langen Reisen erforscht. Die Stimmen der Naturschützer und ihrer ebenso entschlossenen schwarzen Kontrahenten sind Originalton, kaum gefiltert. Doch Meyers Weißer Schatten ist nicht mit infodump zugemüllt, es sind lebendige Figuren, die sich durch die soziale Wildnis schlagen. Selten ist es einem Autor so elegant und authentisch gelungen, eine plausible Thrillerhandlung aus realen Konflikten zu entwickeln. Obwohl Lemmer kein Detektiv, sondern eben nur Bodyguard ist, ein „Unsichtbarer“ (so der Titel in Afrikaans) und „Weißer Schatten“, deckt er Schicht um Schicht eine Kette von Gewalttaten auf, von der Erschießung eines Wilderers bis zum politischen Attentat. Deon Meyer ist ein überragend spannender Chronist einer schuldbeladenen Gesellschaft im Aufbruch.

Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr. 39 vom 18.9.2008

Siehe auch: Tobias Gohlis über Deon Meyer — Ein weißer Südafrikaner (Porträt)

Siehe auch: Tobias Gohlis über Deon Meyers Thriller aus Kapstadt