Tobias Gohlis über Richard Stark: Das Geld war schmutzig




Sein Problem: die Hilfstruppen

Geld unter Gesangbüchern

Eine kleine Herausforderung

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Richad Stark
Das Geld war schmutzig

Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein

 

 

 

 

 

Der Verbrecher als Traummann

Richard Stark beschreibt seit 1962 den idealen FDP-Kandidaten

Wie ein Delphin, der ein Schiff eine Weile mit seinen Kapriolen begleitet, tauchte in letzter Zeit immer wieder der Name eines toten Autors auf der KrimiWelt-Bestenliste auf: Richard Stark. Auf dieser Liste empfehlen 19 Kritiker die zehn Krimis, die sie für die besten des Monats halten. Dort ist auch der jüngste Roman Richard Starks Das Geld war schmutzig zu finden. Es ist auch sein letzter. Richard Stark ist das Pseudonym des amerikanischen Autors Donald E. Westlake, der Silvester 2008 verstarb. Die Romane Starks sind ein Phänomen. Ihr Held ist Parker, ein Verbrecher, Spezialgebiet Raub und, wenn nötig, Mord. 1962 erschien der erste Parker: The Hunter, verfilmt mit Lee Marvin und Mel Gibson. Parker ist die Urfigur aller Noir-Gangster. Parker faszinierte so unterschiedliche Temperamente wie Stephen King und Michael Ondaatje. John Banville (Bookerpreis 2005) hält Westlake gar für einen der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, wegen Parker. „Er ist der existentielle Mensch in seiner extremsten Ausprägung, und er steht einer Welt gegenüber, die noch niederträchtiger und verschlagener ist als er.“.

Sein Problem: die Hilfstruppen
Auch seinen 27. Roman beherrscht Parker als Traummann. Furchtlos, lässig, stark, krisenfest, nicht aufzuhalten. Er käme prima durch, wäre er tatsächlich das, was die Gewerkschaft Ver.di einen „Solo-Selbständigen“ nennt, eine autarke Kampfmaschine. Parkers Problem seit 1962 sind die Hilfstruppen, die Komplizen, die Verräter. Deren Schwächen lassen sich mit einem Wort summieren: Gier. Sie wollen mehr als ihren Anteil, sie sind ungeduldig und gefährden deshalb Parkers perfekte Pläne. Weshalb Parker einen wunderschönen gelben Infiniti, den Lieblingswagen seiner Freundin im Teich versenken muss.

Geld unter Gesangbüchern
Er hat den Bargeldtransport einer Bank, die geschlossen und verlegt wurde, überfallen. Das ist in Zeiten elektronischer Transfers eine der wenigen Möglichkeiten, an reales Geld zu kommen. Doch der Raub ist — Stichwort: Gier — aufgeflogen. Die Beute liegt unter einem Stapel von Gesangbüchern in einer aufgegebenen Kirche Neuenglands verborgen, die Crewmitglieder sind auf der Flucht, angeschossen oder geschnappt. Das Geld war schmutzig erzählt von der Rettung dieser Beute in Starks unnachahmlichem, kaltem Stil, gesättigt von schwärzestem Humor. Mit den Romanen Keiner rennt für immer und Fragen Sie den Papagei bildet es eine Abschieds-Trilogie. Abschied nehmen wir nicht nur von Stark/Westlake, sondern vom Traum eines Mannes wie Parker. Er ist soft wie ein Freudianer, kaltblütig als Killer, solidarisch als Freund. Ein Utilitarist reinsten Wassers. Er lügt nie, er vertraut nur auf sich selbst, er hält immer Wort. Und kommt nie durch. Parker als Spitzenkandidat der FDP — den könnte man wählen.

Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr. 39 v. 17.9.09