Tobias Gohlis über Deon Meyers Thriller aus Kapstadt

 




Wie man Diamanten schleift

Kein Mankell Südafrikas – zum Glück

Thobela ist ein Krieger

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Der traurige Polizist. Aus dem Englischen von Ulrich Hoffmann

Tod im Morgengrauen. Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet

Das Herz des Jägers. Aus dem Englischen von Ulrich Hoffmann

 

 

Die aus dem Trauma kommen

Die Entwicklung des Schriftstellers Deon Meyer könnte so manchem deutschen Autor und Verlag zum Vorbild dienen. Der Südafrikaner gibt an, seit seinen Kindertagen geschrieben zu haben; schon das erste, was er seinen Freunden vorlas, war ein Misserfolg. Nach Militärdienst, Studium und während der Berufstätigkeit als Journalist und PR-Mann arbeitete er weiter an Shortstories und Polizeiromanen. Die Zustimmung blieb gering, seine auf Afrikaans verfassten Texte fanden kaum Anklang. Heute dankt Meyer zurecht den Helfern und Beratern, die seine Bücher solange kritisierten, bis sie „reif für den Weltmarkt“ waren.

Wie man Diamanten schleift
Wie viele Autodidakten war Meyer wohl von auktorialen Allmachtsphantasien besessen, ohne auch nur annähernd über die literarischen Mittel zu verfügen. Der Polizeiroman, der jetzt auf Deutsch unter dem Titel Der traurige Polizist erschienen ist, sollte zunächst afrikaans Die Nostradamus Dokumente heißen, kam aber, befreit von den vermutlich ziemlich abstrusen Nostradamus-Phantastereien als Feniks heraus, und machte unter dem sprechenden Titel Dead before Dying internationale Karriere. So schleift man Diamanten, nicht nur in Südafrika.
Der englische Titel sagt mehr als der deutsche. Denn es geht nicht nur um den traurigen, nach dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren schwer traumatisierten Polizei-Captain Mat Joubert, der eine Mordserie aufklären soll. Der ganze Polizeiapparat, Symbol für den Zustand der Gesellschaft, wirkt krank, paralysiert, erschöpft, angefressen von unverarbeiteten Schuldgefühlen. Selbst die Psychologin, der es wundersam gelingt, in dem ungeschlachten Joubert den Lebensfunken zu wecken und ihm Wege aus seiner selbstzerstörerischen Depression zu zeigen, erweist sich gegen Schluss als seelisch schwer verletzt; auch sie ein Opfer barbarischer Gewalt, das sich aus eigener Kraft nicht befreien kann.

Kein Mankell Südafrikas – zum Glück
Der Dummheit einer Literaturkritik, die sich gerade im Krimibereich an Idole klettet, ist die Auslobung Meyers zum „Mankell Südafrikas“ geschuldet. Doch zum Glück für die Leser haben Meyers Helden rein gar nichts mit dem misanthropischen Gesinnungsträger Wallander zu tun. Mit dem traurigen Polizisten Joubert zeichnet Meyer ergreifend das Porträt eines psychisch schwer erkrankten Mannes, (das in seinen besten Passagen an Lawrence Blocks großen Trinkerroman Eight Million Ways to Die herankommt). Im Nachfolger Tod im Morgengrauen ist der Held van Heerden ein aus der Bahn geratener Profiler, der als Privatdetektiv die beinahe dreißig Jahre zurückliegenden Verbrechen einer paramilitärischen Söldnertruppe aufdeckt.

Thobela ist ein Krieger
Bei diesem nur halb legalen Kampf hatte van Heerden die Hilfe einiger Gangster in Anspruch  genommen. Einer von ihnen (man kann das schlecht nachverfolgen, weil Meyers Romane nicht in zeitlicher Folge und zudem bei verschiedenen Verlagen erschienen sind) war Thobela „Tiny“ Mpayipheli. Dieser über zwei Meter große Xhosa ist nun der Held von Meyers jüngstem und bisher bestem Roman  Das Herz des Jägers. Thobela lebt mit seiner Gefährtin Miriam Nzululwazi und ihrem Sohn Pakamile in der Township Guguletu bei Kapstadt. Seine Zeit als Geldeintreiber eines Gangsterbosses ist ebenso vorbei wie jene Jahre, als er, im Glauben, er kämpfe für die Freiheit seines Volkes, dem KGB als Killer diente. Thobela ist, wie die anderen Helden Meyers, ein Mann, der schuldig wurde und geprüft wird. Thobela hat beschlossen, der Gewalt ein für alle mal abzusagen, gegen seine Natur. Denn der zärtliche Riese, der so rücksichtsvoll mit der Geliebten und so beispielhaft väterlich mit ihrem Sohn umgeht, ist ein Kämpfer, einer der besten Scharfschützen, die es im Ostblock gab, ein Meister des Nahkampfs, ein Krieger. Sein Konzept des friedlichen Lebens bricht zusammen, als ein Freund aus früheren Zeiten um lebensrettende Hilfe bittet. Thobela soll eine Festplatte nach Lusaka schaffen. Doch schon auf dem Flugplatz muss er zwei Agenten entwaffnen. Neben den islamistischen Terroristen, die das Leben seines Freundes bedrohen, sind die CIA und eine südafrikanische Geheimdiensteinheit hinter ihm her. Thobela, zwischen Treue zu seinem neuen Lebensideal und der Verpflichtung zum Freundschaftsdienst hin- und hergerissen, entführt aus dem Motorradladen, in dem er putzt, eine schwere BMW und rast, nachdem sie ihn mehrfach abgeworfen hat, unter feindlichem Beschuss durch Berge, Gewitter und Savanne Richtung Sambia. Deon Meyer ist mit diesem Politthriller, Roadmovie und Männergeschichte etwas Besonderes gelungen. Eingebettet in einen intelligent geknüpften, atemberaubend spannenden Plot erzählt er doppelt Geschichte: die eines wahren Helden und die blutige eines noch lange nicht zur Ruhe gelangten großartigen Landes. Drei weltmarktfähige Bücher gibt es jetzt von Deon Meyer auf englisch und deutsch. Es können ruhig mehr werden.

Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr. 45 vom 2.11.05

Siehe auch: Tobias Gohlis über Deon Meyer Weißer Schatten

Siehe auch: Tobias Gohlis über Deon Meyer — Ein weißer Südafrikaner (Porträt)