Tobias Gohlis über Nick Stone: Todesritual


Vergeltung in Kuba

Im Schatten Guantanamos

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Bd. 3: Nick Stone:
Todesritual 2013
(Voodoo Eyes 2011)


Bd. 1: Voodoo 2007 (Mister Clarinet 2006)

 

Bd. 2: Der Totenmeister 2009

(King of Swords 2007)


Alle aus dem Englischen von Heike Steffen

 

 

Verschmutzter Spiegel

Nick Stone schließt seine fulminante Trilogie über Miami und den karibischen Hinterhof der USA ab

Sechs Tage, bevor Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt wird, sucht Eldon Burns, Miamis Stellvertretender Polizeichef im Ruhestand, wie jeden Tag das verfallene Boxstudio auf, von dem aus er vor Jahren die Stadt kontrolliert hatte. Sehr zu Verwunderung des alten Mannes taucht ein schwarzer schlaksiger Junge auf. Doch statt probehalber ein paar Schläge zu wechseln, zieht der eine Pistole und schießt ihm die Augen aus.
Voodoo Eyes lautet der Originaltitel des dritten Romans von Nick Stone um den ehemaligen Polizisten, Knastbruder und Privatdetektiv Max Mingus, der jetzt als Todesritual auf Deutsch erschienen ist. Beide Titel treffen einen Aspekt: Es geht um das Ritual des Tötens – der schlaksige, durch eine Gaumenspalte verunstaltete Mörder tötet immer durch Schüsse in die Augen – und um das Sehen. Beziehungsweise um das Nicht-Sehen.

Vergeltung in Kuba
Max Mingus ist 58, ein ausgelaugter Mann. Scham bohrt in ihm. Als Mitglied von Burns' Miami Task Force war er in den 70er und 80er Jahren zum Mörder geworden. Jetzt schlägt er sich als Privatdetektiv mit schmierigen Scheidungsfällen durch. Vereinsamt starrt er vom Dach seines Penthouses auf Miami, die Stadt der Leere, nur selten trifft er noch sein besseres Ich, seinen schwarzen Ex-Partner Joe Liston. Kaum beginnen Max und Joe, den Mord an ihrem verabscheuten Ex-Chef zu untersuchen, wird Joe ebenfalls hingerichtet – mit Schüssen in die Augen. Wie bei Burns sind die Zeichen eines kubanischen Geheimkults in die tödlichen Kugeln geritzt. Max will Vergeltung für den Freund. Da passt es ihm beinahe, dass ihn eine rachelüsterne Beamtin des allmächtigen Heimatschutzes zwingt, nach Kuba zu gehen.

Im Schatten Guantanamos
Er soll dort, illegal eingereist, die schwarze Bürgerrechtlerin Vanetta Brown ausfindig machen und in die Staaten entführen. Brown hat angeblich den Vater der Heimatschützerin ermordet und scheint auch für die Morde an Burns und Joe verantwortlich zu sein.
"Kuba war nicht anderes als Miami in einem schmutzigen Rückspiegel betrachtet." Max Mingus schlägt sich durch Hafenkaschemmen, ein Taschendieb und Transvestit auf der Flucht vor der Sittenpolizei ist sein unfreiwilliger Cicerone durch die Ruinen des kubanischen Sozialismus. Allein der Bericht von dieser Odyssee durch Castros Gefängnisparadies lohnt schon die Lektüre von Todesritual. Quasi im Schatten Guantanamos, in einem sowjetischen Privatkrankenhaus, findet Max die Exilantin – und ein weiteres finsteres Kapitel der üblen Geschichte US-Staatsorgane contra schwarze Bürger. Mit Todesritual ist eine Trilogie abgeschlossen, deren Bände 1980, 1996 und 2008 jeweils zur Wahl eines amerikanischen Präsidenten handeln. Ausgangspunkt ist Miami. Stone durchstreift darin den karibischen Hinterhof der USA: die pragmatische Dominanz der amerikanischen Sicherheitsorgane findet ihr dämonisches Gegenstück in Max' allgegenwärtigem Feind, dem haitianischen Voodoo-Priester und Gangster Solomon Boukman. Mein Tipp: Lesen Sie alle drei.

Unredigiertes Manuskript, Veröffentlichung in DIE ZEIT Nr. 7 vom 7.2.2013